Abraço Brasil

Escola de Música Sol Maior – Musik aus Brasilien

Musikschule der Hoffnung

CD-Buch mit jungen brasilianischen Musikerinnen und Musikern

von Stefan Franzen

 

Die Verbindungen Freiburgs nach Brasilien sind bekanntlich vielgestaltig. Eine besonders schöne ist die von Roney Marczak: Der 42-jährige Geiger aus der Stadt Londrina im südlichen Bundesstaat Paraná studierte an der hiesigen Musikhochschule. Nach seinem Abschluss war er in Europa sehr gefragt, Freiburg blieb weiterhin eine Basis für ihn. Bei seinen Flugbuchungen freundete er sich mit einer Mitarbeiterin eines Reisebüros an, die heute für den auf Lateinamerika spezialisierten Reiseveranstalter avenTOURa arbeitet. Über diese Verknüpfungen kam nun ein musikalisches Teamwork mit sozialer Komponente zustande.

 

»Marczak wollte seinem Land etwas von dem zurückgeben, was er hier mit der Musik erleben durfte. Seine Vision: Der Aufbau einer Musikschule in seiner Heimatstadt, speziell für Kinder und Jugendliche aus einem benachteiligten Umfeld«, berichtet Wolfgang Wick vom Gestaltungsbüro Magenta. Zusammen mit avenTOURa-Chef Gerd Deininger hat er das CD-Projekt »Abraço Brasil« realisiert, in dem sich Marczaks Escola de Música Sol Maior vorstellt. Bereits 2012 hatten die beiden ein ähnliches Unterstützungsprojekt für jugendliche HipHopper aus Havanna aufgegleist. 

 

Vom HipHop Kubas also in die klassische Sphäre Brasiliens: Wick wurde von Deininger beauftragt, in Londrina die Musikschule zu besuchen, mit den Schülern Interviews zu führen, Fotos zu machen und eine CD zu gestalten. Die Erlöse fließen in die Arbeit der Escola. »Ich bin auf sehr aufgeschlossene, neugierige junge Menschen gestoßen, die mich durch ihr Viertel geführt haben. Privat hören sie auch Rap und HipHop auf ihrem iPod, aber sie sehen ganz klar, dass sie mit dieser Art Musik keinen Lebensunterhalt verdienen könnten, im Gegensatz zur klassischen Ausbildung.« Haben die Jugendlichen diese einmal durchlaufen, sind sie auch in der Lage, ein Repertoire lateinamerikanischer Klassiker zu spielen, Engagements in Hotels zu bekommen. Ihre originellen, von Streichersound geprägten Übertragungen von »Aquarela Do Brasil«, »La Cumparsita« oder »Dos Gardenias« finden sich nun auf der CD, die in Live-Atmosphäre vor Ort eingespielt wurde. Das Booklet gibt Einblicke in die Lebenswege der Musiker: Da ist César, der stolz mit seinem Cello durch die Favela zieht und dafür respektiert wird, dass er aus seinem Leben etwas macht. Oder Samuel, der mit Freunden ein Hinterhofkonzert für die Nachbarn gibt, sich im Gospelradio engagiert, und dort live über den Äther spielt. Die Escola de Música Sol Maior ist mittlerweile auch für Reisende ganz konkret »erfahrbar«: avenTOURa hat den Besuch der Schule in sein Brasilenprogramm aufgenommen. 

 

Veröffentlicht am 6. Dezember 2014 in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung

Die Mädchen und Jungs von der Escola de Musica Sol Maior und Roney Marczak zeigen an Klassikern des Tango, Samba, Bossa Nova, was sie drauf haben. Das ist hervorragend, hingebungsvoll und mitreißend musiziert! Man darf gespannt sein, was aus dieser Schule künftig noch alles kommt. Also: heftig unterstützen!

 

Prof. Dr. Janina Klassen 

Hochschule für Musik Freiburg

Iguazú, Londrina, Rio, Salvador de Bahia

Eine Reise durch Brasilien

Bahnsteig Blues

von Beate Mitzscherlich

 

Umsteigen in Wittenberge. Die wenigen Reisenden warten in der Abendsonne auf den Intercity von Berlin nach Hamburg. Eine Taube spaziert an der Bahnsteigkante entlang. Sonst ist hier nichts los. Plötzlich ein paar einzelne, langgezogene Töne. Blue notes. Eine abfallende Melodie. Weit hinten auf einer Bank sitzt ein Mann, leicht vornübergebeugt, in einem zerknitterten grauen Anzug, der spielt Trompete. Das Mädchen neben mir lächelt mit geschlossenen Augen in die Sonne. Der Zug fährt ein. Der Trompetenspieler steht auf und geht leicht schwankend zur Unterführung.